Festival für Weltliteratur
21.–26.1.2019 – Köln

»Rausch«

 »Man kann auch in die Höhe fallen, so wie in die Tiefe.« Friedrich Hölderlin

Was wäre die Dichtung ohne den Himmel? Keine Poesie ohne Jubel, Exaltation, Hingerissenheit. Inspiration und Euphorie gehören zur Grundausstattung, das Streben in die Vertikale bleibt Programm. Seit ihren Anfängen sucht die Poesie daher die Nähe zum Rausch. Einst »Höhenflug« genannt, geht die Entzückung heute auch als »high« durch. Jemandem, der höhere Geisteszustände erreichen möchte, scheint jedes Mittel recht. Zum Zauber des Musenkusses sind inzwischen die Gedankengirlanden des Opiums, die Kicks des Kokains, das Happy Face von Ecstasy als bedenkliche Katalysatoren hinzugekommen. Aber wo befindet sich die Poesie, wenn sie derart »außer sich« ist? Wie sieht eine Sprache des Kontrollverlusts aus? Und gibt es sie wirklich: die künstlichen Paradiese? Wenn das Beflügeltsein einen Schatten hat, dann ist es der Tiefsinn. Denn was wären die Worte ohne die Schwerkraft, diese Anziehung durch die Welt der irdischen Affekte und Gegenstände? Die Dichtung mag abheben, löst sich aber nie aus der Atmosphäre. Um mit dem schwedischen Nobelpreisträger Tomas Tranströmer zu reden: Es gibt Tage, an denen »ein Kilo 700 Gramm wiegt, nicht mehr«. Wären die restlichen 300 Gramm das Gewicht der Poesie?

»Rausch« lautet das schlichte, aber facettenreiche Thema der Poetica 5, des fünften Festivals für Weltliteratur, das vom Internationalen Kolleg Morphomata der Universität zu Köln gemeinsam mit der Deutschen Akademie für Sprache und Dichtung vom 21. bis 26. Januar 2019 in Köln veranstaltet wird. Kurator ist der schwedische Schriftsteller Aris Fioretos. Er hat Autoren aus dreieinhalb Kontinenten und ungefähr acht Ländern eingeladen und sie gebeten, sich Fragen nach dem Schaffensrausch, nach seinen Sprachen, Auslegungen und Widersprüchen auf ihre jeweils eigene Weise anzunehmen, in nachmittäglichen Diskussionsforen und bei abendlichen Lesungen. Es geht, mit einer Formulierung des zu früh verstorbenen Dichters Thomas Kling, um »die Auswertung der Flugdaten«.

Die Poetica findet an verschiedenen Orten in Köln statt: in der Universität, der Stadtbibliothek, im Literaturhaus, im Alten Pfandhaus, im Sancta-Clara-Keller und im Schauspiel Köln.

Eingeladen sind Mircea Cărtărescu aus Rumänien, Oswald Egger aus Deutschland, Christian Kracht aus der Schweiz, Mara Lee aus Schweden, Agi Mishol aus Israel, Lebogang Mashile aus Südafrika, Marion Poschmann aus Deutschland und Jo Shapcott aus England.

Alle grammatisch männlichen Formen in diesem und den anderen Texten auf der Homepage beziehen sich gleichermaßen auf weibliche und männliche Personen.