Festival für Weltliteratur
17.–22.4.2023 – Köln

»Das chorische Ich / The choral I«

Auftaktveranstaltung mit den Autor:innen der Poetica
Montag, 17.4.2023, 19.00 Uhr

Universität zu Köln, Aula I + II

Das chorische Ich bezeichnet in griechischer Lyrik wie im Chor der attischen Tragödie die Instanz gemeinschaftlicher Wahrheit, die im Mythos verbürgt ist. Seit der Renaissance gilt die Lyrik in Europa als subjektivste und freieste Gattung. Der Missbrauch chorischer Dichtung in Diktaturen des 20. Jahrhunderts hat die Skepsis ihr gegenüber verstärkt, gerade in Deutschland. Angesichts globaler Krisen, die nur gemeinschaftlich zu bewältigen sind, stellt sich die Frage neu, wie man als chorisches Ich in der Dichtung sprechen kann. Das »Sprechen im Namen von« sollte man nicht Autokraten überlassen, die beanspruchen, das Volk zu sein oder um die richtige Ideologie zu wissen. Zum Auftakt der Poetica 8 hat der Kurator Christian Filips Dichter:innen eingeladen, die in ihren Texten stellvertretend zu sprechen wagen – zum Schutz von Minderheiten, in ihrer Freiheit bedrohten Nationen, gefährdeter Tiere oder Pflanzen. Die Lesungen und Gespräche des Abends begleitet ein aus der Stadtgesellschaft gebildeter Festivalchor; ein Grußwort Axel Freimuths, Rektor der Universität zu Köln, eröffnet ihn.

Mit Daniela Danz (Deutschland), Logan February (Nigeria), Lionel Fogarty (Australien), Kim de l'Horizon (Schweiz), Kateryna Kalytko (Ukraine), Els Moors (Belgien), James Noël (Haiti), Patti Smith (USA), Sukirtharani (Indien), Zheng Xiaoqiong (China, in digitaler Präsenz) sowie dem Kurator Christian Filips.

Musik: Poetica-Festivalchor (Collegium musicum: Chor der Universität zu Köln & Oratorienchor Köln & Rodenkirchener Kammerchor, musikalische Leitung: Joachim Geibel und Arndt Martin Henzelmann), Leo Bögeholz Gründer (Pauke), Henrik Hasenberg (E-Piano), Norbert Schmeißer (Posaune).

Die deutschen Übersetzungen lesen Philipp Plessmann und Katharina Schmalenberg. 

Der Abend wird von Deutschlandfunk Kultur als Medienpartner aufgezeichnet. Die Ausstrahlung (in einer gekürzten Fassung) ist für den 30. April ab 22 Uhr geplant.

Die Veranstaltung findet auf Deutsch und Englisch statt.
Der Eintritt ist frei.
 

»Writing in the name of«

Öffentliche Diskussion mit den Autor:innen der Poetica
Dienstag, 18.4.2023, 14.00 Uhr

Universität zu Köln, Neuer Senatssaal

Schreiben und Dichten in jemandes Namen kann beides sein: gelingende Stellvertretung oder gewaltsame Aneignung. In dieser öffentlichen Diskussion sprechen die Autor:innen der Poetica darüber, was es heißt, heute im Namen einer Gemeinschaft zu dichten. Wie legitimiert sich die poetische Rede in der Wir-Form? Wer darf für oder gegen welche Gemeinschaft das Wort ergreifen? Welches dichterische Sprechen in wessen Namen ist angemessen und notwendig? In welchen Fällen findet eine falsche Aneignung statt? »Can the Subaltern speak?«, wie Gayatri Spivak schon 1988 fragte. Wie steht es um die poetische Stellvertretung derer, die nicht mehr, nur in eingeschränkter Weise oder noch nicht für sich sprechen können? Wie sprechen für die namenlosen Toten, für künftige Generationen, für die bedrohte Natur? Die ungarische Dichterin Ágnes Nemes Nagy erklärte einmal, sie wolle in ihren Gedichten »immer mehr Namenlosem einen Namen geben.« Die Benennung des Namenlosen scheint eine Aufgabe der Poesie. Gibt es aber nicht auch Namen, die unbenannt, verschwiegen, in der Schwebe bleiben sollten? Wo gilt es, die Dinge beim Namen zu nennen? Und wovon gilt es besser zu schweigen, weil sich davon noch nicht reden lässt?

Moderation: Christian Filips

Die Veranstaltung findet auf Englisch statt.
Der Eintritt ist frei.
 

»I contain multitudes«

Lesung und Gespräch mit Patti Smith
Dienstag, 18.4.2023, 19.00 Uhr

Universität zu Köln, Aula I + II

Patti Smith, »the Godmother of Punk«, ist als Singer-Songwriterin eine Legende. Dabei begreift sie sich selbst als Dichterin, die eher zufällig bei der Musik gelandet ist. Umso erstaunlicher, dass gerade ihre Gedichte und Songtexte – im Gegensatz zur autobiographischen Prosa – bislang kaum ins Deutsche übersetzt wurden. Gemeinsam mit Kurator Christian Filips spricht Patti Smith über ihre Poesie, die sich dem französischen Symbolismus ebenso verpflichtet fühlt wie William Blake und der Beat Generation. Seit einem halben Jahrhundert meldet sich die Dichterin immer wieder auch als politische Aktivistin zu Wort, die im Namen derer singt, die nicht zur Sprache kommen. »I contain multitudes« – dieser Vers von Walt Whitman geistert als Leitspruch durch ihre Gedichte.
Wie verhält sie sich zur Frage der Möglichkeiten und der Grenzen einer poetischen Stellvertretung? Für wen würde sie nicht sprechen, nicht die Stimme erheben? An diesem Abend wird Patti Smith auch als Fotografin präsent sein, mit Bildern aus ihrem Buch der Tage (2022), einem Experiment auf Instagram, das ein Jahr lang jeden Tag – von Millionen von Follower:innen begleitet – eine Poesie des Augenblicks beschworen hat. Aus diesen Momentaufnahmen tritt uns ein ganzer Chor von Dichter:innen entgegen: Sylvia Plath, Dylan Thomas, Jean Genet und viele andere, die zu einem Teil der »Multitude Patti Smith« geworden sind.

Moderation: Christian Filips
 

Das Gespräch findet auf Englisch statt und wird in deutsche Gebärdensprache (DGS) übersetzt.
Eintritt 12/8 EUR
Karten erhalten Sie über den Vorverkauf hier und an der Abendkasse.

»Was singt der Chor in Dir?«

Literarische Werkstatt mit Christian Filips und Els Moors
Mittwoch, 19.4.2023, 10.00 Uhr

Universität zu Köln, Dozierenden-Zimmer im Hauptgebäude

Im Rahmen der Poetica 8 wird den Studierenden der Universität zu Köln und der Kunsthochschule für Medien die Möglichkeit geboten, in einer literarischen Werkstatt zusammenzukommen und einander ihre eigenen Texte vorzustellen, gemeinsam mit dem Kurator der Poetica, Christian Filips, und der belgischen Dichterin Els Moors. Teilnehmen können nur eingeschriebene Studierende der Universität zu Köln und der Kunsthochschule für Medien.

Aufgabenstellung der literarischen Werkstatt: 
Wie spricht man im Namen einer Gruppe, einer angegriffenen Minderheit, einer Nation? Wir wollen in diesem Workshop der Frage nachgehen, was es heißt, in jemandes Namen zu schreiben. Wir bitten als Textprobe um bis zu fünf Gedichte (oder zwei Prosatexte), die sich zur Möglichkeit oder Unmöglichkeit verhalten, stellvertretend zu sprechen. Im Namen der anderen. Im Namen der Namenlosen. Im Namen der Dinge, Tiere, Pflanzen. Im Namen derer, die nicht wahrgenommen oder ausgegrenzt werden. Welchen Namen trägt die poetische oder literarische Instanz, der in den eigenen Texten eine Stimme verliehen wird? Ist sie vielleicht ein Chor?

Interessent:innen werden gebeten ihre Texte einzusenden an Amelie Liebst: . Bewerbungsfrist ist der 17. März 2023.
In Kooperation mit der Kunsthochschule für Medien Köln.

Die Veranstaltung ist nicht öffentlich.

»Wie wehrt mensch sich gegen all diese Namen«*

Lesungen und Gespräche mit Logan February, Christian Filips und Kim de l’Horizon
Mittwoch, 19.4.2023, 19.00 Uhr

FORUM Volkshochschule im Museum am Neumarkt

Wie wehrt sich Poesie gegen falsche Namen und Benennungen? Kim de l’Horizon hat den eigenen Geburtsnamen in ein Anagramm verwandelt und den »Vatersvaternamen« im Wortsinn verrückt. Im Roman Blutbuch tritt eine fluide Schreibpraxis den vererbten Zuschreibungen entgegen: Ein ganzer Chor von Stimmen setzt binäre Denksysteme außer Kraft und hext sich neue Namen herbei.
»Auf Yoruba ist dein Vater dein Name«, so lautet ein Vers der:des nigerianischen Dichter:in Logan February. Auch der selbstgewählte Nachname »February« kehrt sich ab vom Geburtsnamen »Akinwale«. Dem Gesetz der Väter stehen Gedichte entgegen, die im Namen der queeren Community Nigerias sprechen: »Skin translates to f lesh translates to body«.
Christian Filips, Kurator der Poetica 8, liest aus Heißen Fusionen und Heischesätzen, die sich gegen starre Identitätskonzepte ebenso wenden wie gegen die Zugriffe des Marktes.

*Programmänderung: An dieser Stelle war ursprünglich eine Veranstaltung mit Édouard Louis angekündigt, der aus persönlichen Gründen seine Teilnahme an der Poetica 8 absagen musste. Wir freuen uns sehr, an seiner Stelle Kim de l'Horizon zum Festival zu begrüßen.

Moderation: Christian Filips
Die deutschen Übersetzungen liest Katharina Schmalenberg.
Die Veranstaltung findet auf Deutsch und Englisch statt.
In Kooperation mit der Volkshochschule Köln.

Die Veranstaltung findet auf Deutsch und Englisch statt.
Eintritt 12/8 EUR
Karten erhalten Sie über den Vorverkauf hier und an der Abendkasse.

»What is in a name?«

Öffentliche Diskussion mit den Autor:innen der Poetica
Donnerstag, 20.4.2023, 14.00 Uhr

Kunsthochschule für Medien Köln, Aula

»What’s in a name? That which we call a rose by any other name would smell just as sweet.« In Shakespeares Romeo und Julia wird die Auswechselbarkeit von Namen behauptet. Gertrude Stein hat dagegen Protest eingelegt und darauf bestanden, dass der Name »Rose« Identität stiftet und sich nur durch sich selbst ersetzen lässt. Wie verhält es sich mit Eigennamen? Sind sie auswechselbar oder mit sich selbst identisch? In dieser Diskussion soll es um selbstgewählte, zugeschriebene und enteignete Namen gehen, um Künstler:innennamen und Heteronyme. Das Sprechen und Schreiben im »eigenen« Namen ist immer bereits Teil einer »Biomythographie« (Audre Lorde), die Geschichte, Biografie, Herkunft und Mythos miteinander verbindet. Die Namen von Logan February, Kim de l'Horizon und Lionel Fogarty sind nicht identisch mit ihren Geburtsnamen. Es handelt sich um poetische Konstruktionen, Strategien der Selbstverteidigung. Auch die indische Dichterin Sukirtharani weiß davon zu berichten: »Es ist ein Unterschied, ob man sich eine Identität selbst auswählt oder ob man in sie hineingezwungen wird. Wenn ich zu Hause bin, denke ich nicht über meine Kaste nach, aber sobald ich das Haus verlasse, verfolgt sie mich wie ein bissiger Hund.«

Moderation: Christian Filips
In Kooperation mit der Kunsthochschule für Medien Köln.

Die Veranstaltung findet auf Englisch statt.
Der Eintritt ist frei.

»Working Class Poetry«

Lesungen und Gespräche mit Lionel Fogarty, James Noël, Sukirtharani und Zheng Xiaoqiong*
Donnerstag, 20.4.2023, 19.00 Uhr

Zentralbibliothek der Stadtbibliothek Köln

Gibt es gegenwärtig eine Poesie der »Working Class«? Das Industrieproletariat in Deutschland scheint kaum mehr vorhanden. Doch gibt es längst ein neues Proletariat der Dienstleistung und der Care-Arbeit. Nur seine poetische Stellvertretung ist bislang noch nicht sichtbar. Im weltliterarischen Maßstab sieht die Lage anders aus. Diese Lesung stellt »Working Class Poets« aus Australien, China, Haiti und Indien vor. Ihre Gedichte sind Dokumente einer politischen Arbeit, die nie im Zweck der Stellvertretung aufgehen, sondern sie um Schönheit erweitern. Die Dichterin Zheng Xiaoqiong protokolliert die Wirklichkeit einer Wanderarbeiterin auf dem Weltmarkt und setzt der Ohnmacht entfremdeter Arbeit eine Poesie der Selbstermächtigung entgegen. James Noël, der das Handwerk des Glasers erlernt hat, kartografiert in seinen Gedichten eine weltweite »Migration der Mauern«. Sukirtharani kämpft im Namen der »Unberührbaren«, der Dalit, und der unterdrückten Frauen Indiens mit ihrer Poesie gegen die Kastengesellschaft. Lionel Fogarty, »the greatest living Australian poet« (John Kinsella), ist seit seiner Jugend Sprecher und Aktivist der Murri Community. Seine Gedichte richten sich gegen die Auslöschung der indigenen Sprachen und durchlöchern die englische Sprache der Kolonisatoren.

*Zheng Xiaoqiong wird mit einer digitalen Lesung vertreten sein.

Moderation: Christian Filips
Die deutschen Übersetzungen lesen Philipp Plessmann und Katharina Schmalenberg.
In Kooperation mit der Stadtbibliothek Köln.

Die Veranstaltung findet auf Deutsch und Englisch statt.
Eintritt 12/8 EUR
Karten erhalten Sie über den Vorverkauf hier und an der Abendkasse.

»In the name of the earth, in the name of the country«

Lesungen und Gespräche mit Daniela Danz, Kateryna Kalytko und Els Moors
Freitag, 21.4.2023, 19.00 Uhr

Kölnischer Kunstverein

Immer dringlicher wird die Frage, wie nicht-menschlichen Entitäten eine Sprache verliehen werden kann. In Neuseeland wurde zuletzt dem Fluss Whanganui der Status einer Rechtspersönlichkeit zuerkannt. Welche Rechte lassen sich auf Tiere, Flüsse, Ökosysteme und Länder ausdehnen? Diese Frage berührt nicht nur die Sprache des Rechts, sondern auch die Sprache einer Poesie, die im Namen der Gerechtigkeit sprechen will. An diesem Abend kommen drei Dichterinnen zusammen, die im Namen der Erde oder eines Landes zu schreiben versuchen.
Daniela Danz lässt in ihren Gedichten eine Wildniß sprechen, die sich wehrt und die Zivilisation überwuchert. Im Gespräch wird es darum gehen, wie sich das zeitgenössische »Nature Writing« zu Hölderlins Begriff des »Vaterlands« verhält und welches falsche Verständnis davon den NSU umtrieb, mit dessen Taten sich Danz in ihrem Opernlibretto Der Mordfall Halit Yozgat befasst hat. Els Moors wurde 2018/19 in Belgien zur »Dichterin des Vaderlands« ernannt und hat mit einem »Klimalied« die Aktivist:innen ihres Landes unterstützt. Im Sommer 2020 bereiste sie die Ukraine.
An den Gedichten von Kateryna Kalytko zeigt sich die Aufgabe von Poesie in Zeiten des Krieges. In ihren Texten sind die Traditionen der ukrainischen Volkslieder und der orthodoxen Kirchengesänge ebenso präsent wie die Erfahrungen des russischen Angriffskrieges.

Moderation: Christian Filips und Els Moors.
In Kooperation mit dem Literaturhaus Köln.

Die Veranstaltung findet auf Deutsch und Englisch statt.
Eintritt 12/8/6 EUR
Karten erhalten Sie über den Vorverkauf des Literaturhauses Köln und an der Abendkasse.

»Poetry Workers«

Poetry meets Scenery
Samstag, 22.4.2023, 19.30 Uhr

Schauspiel Köln, Depot 1

Dass Poesie beim Arbeiten eine große Rolle spielt, beweisen zahllose Lieder und Gedichte der Weltliteratur, die das Arbeiten rhythmisch unterstützen und erleichtern sollen: die Schiffer-, Weber-, Schleif- oder Sensenlieder. Auch zum Gegenstand der Dichtung ist die Arbeit oft geworden. So etwa in der »Piss Factory« von Patti Smith oder in den Gedichten von Zheng Xiaoqiong, die den chinesischen Arbeitsmarkt der Gegenwart dokumentieren. Aber lässt sich nicht auch die Poesie selbst als Arbeit begreifen, als eine spezifische Form gesellschaftlicher Tätigkeit, die sich entfremdeter Arbeit entzieht? Am letzten Abend der Poetica bringt die Inszenierung von Philipp Plessmann die Arbeit im und am Gedicht auf die Bühne. Dabei erklingt im Depot 1 ein Chor aus Dichter:innen, Schauspieler:innen, Musiker:innen und dem aus drei Ensembles bestehenden Festivalchor der Poetica.

Mit den Autor:innen Daniela Danz (Deutschland), Logan February (Nigeria), Lionel Fogarty (Australien), Kateryna Kalytko (Ukraine), Els Moors (Belgien), James Noël (Haiti), Sukirtharani (Indien), Zheng Xiaoqiong (China, in digitaler Präsenz) sowie dem Kurator Christian Filips (Deutschland), den Schauspieler:innen Yuri Englert, Philipp Plessmann, Katharina Schmalenberg, Kristin Steffen und dem Poetica-Festivalchor (Collegium musicum: Chor der Universität zu Köln & Oratorienchor Köln & Rodenkirchener Kammerchor, musikalische Leitung: Joachim Geibel und Arndt Martin Henzelmann), begleitet von Leo Bögeholz Gründer (Pauke), Henrik Hasenberg (Klavier), Norbert Schmeißer (Posaune).
Regie, Schauspiel: Philipp Plessmann; Bühne: Kathrin Lehmacher; Kostüme: Melina Jusczyk; Dramaturgie: Antonia Ortmanns, Christian Filips 
In Kooperation mit dem Schauspiel Köln.

Eintritt 15/8 EUR
Karten erhalten Sie hier über die Website des Schauspiel Köln