Festival für Weltliteratur
20.-25.1.2025 – Köln

»Poetic Thinking and Hospitality«

Auftaktveranstaltung mit den Autor:innen der Poetica
Montag, 20.1.2025, 19.00 Uhr

Universität zu Köln, Aula I + II

Wenn Jacques Derrida erklärt: »ein Akt der Gastfreundschaft kann nur poetisch sein«, so bezieht er sich auf die einzigartige Fähigkeit der Poesie, Freiräume zu eröffnen, die bedingungslos den Anderen empfangen. Freiräume, die Platz halten und das, was eintritt, nicht sofort einem festgelegten Sinn unterwerfen. Mit ihrer zehnten Ausgabe feiert die Poetica die Gastfreundschaft der Poesie selbst und lädt in ihren »room for thought« nicht nur neue Autor:innen, sondern auch Dichter:innen und Kurator:innen vergangener Festivals ein, in deren Werken sich »Poetic Thinking and Hospitality« mal als Thema und mal als Form spiegeln.
Zum Auftakt der Poetica 10 präsentieren die Autor:innen aus Europa, Asien, Zentral- und Südafrika, Nord- und Südamerika in Kurzlesungen ihre Texte und laden im Gespräch mit Uljana Wolf zum poetischen Denken ein. Der Abend wird eröffnet durch ein Grußwort des Rektors der Universität zu Köln, Prof. Dr. Joybrato Mukherjee.

Mit Lina Atfah (Syrien/Deutschland), Radna Fabias (Curaçao/Niederlande), Hiromi Itō (Japan), Lebogang Mashile (Südafrika), Fiston Mwanza Mujila (Kongo/Österreich), Sergio Raimondi (Argentinien), Claudia Rankine (USA), Sasha Marianna Salzmann (Deutschland), Sjón (Island) und der Pianistin Aki Takase sowie den ehemaligen Poetica-Kurator:innen Michael Krüger, Monika Rinck, Yoko Tawada und Jan Wagner.
Moderation: Uljana Wolf
Musik: Aki Takase
Die deutschen Übersetzungen lesen Yuri Englert und Maddy Forst.

Die Veranstaltung findet auf Deutsch und Englisch statt.
Der Eintritt ist frei.

»Hold that space – Sharing a Poem in Times of Peril«

Öffentliche Diskussion mit den Autor:innen der Poetica
Dienstag, 21.1.2025, 14.00 Uhr

Universität zu Köln, Neuer Senatssaal

»Tritt ein.« So einfach spricht sich eine Einladung aus und manchmal bedarf es nicht einmal der Worte: Die Ethnologie kennt die »Poesie der Gesten«, die ganz ohne Sprache Gäste willkommen heißt. Mit dem Schritt über die Schwelle zum Hause eines Anderen geht ein Aushandeln von Ordnungen und Rollen einher – und man gerät mitunter ins Stolpern. Was für den privaten Raum gilt, spiegelt sich weit dramatischer auf der Ebene von Staaten. Wen sind wir bereit aufzunehmen und was sind wir bereit mit unseren Gästen zu teilen?
Teilen ist eine komplexe Praxis, die häufig mit Gastfreundschaft assoziiert wird – doch geht sie oft auch mit Forderungen einher und mit der Schwierigkeit, sich zu diesen zu verhalten. Ist Teilen immer fürsorglich? Was teilt ein Gedicht, wenn es nicht, wie andere Texte, bereitwillig Nachrichten oder Inhalt anbietet? Mit welchen Gesten der Sprache oder der Form erlaubt es uns, über die Schwelle zu treten? Kann poetisches Denken Platz anbieten, wo alle Türen zufallen? Über diese und weitere Fragen werden die Dichter:innen der Poetica gemeinsam mit dem Anthropologen Thomas Widlok von der Forschungsinitiative der Universität zu Köln »Sharing a Planet in Peril« nachdenken.

Moderation: Thomas Widlok und Uljana Wolf
In Kooperation mit der Forschungsinitiative der Universität zu Köln »Sharing a Planet in Peril«.

Die Veranstaltung findet auf Englisch statt.
Der Eintritt ist frei.

»Was alles hat Platz in einem Gedicht?«

Lesungen, Gespräche und Musik mit Michael Krüger, Lebogang Mashile, Yoko Tawada und Aki Takase
Dienstag, 21.1.2025, 19.00 Uhr

Kulturkirche Köln Nippes

Wenn es eine Autorin gibt, die beweisen kann, dass mehr als eine Sprache ins Gedicht passt, dass zudem der spielerische Umgang mit einem Thema wie Grammatik zu ungeahnten Vergnügungen führt, dann ist das Yoko Tawada, deren Kunst zwischen dem Japanischen und dem Deutschen oszilliert. Ihre kongeniale musikalische Partnerin ist Aki Takase am Flügel. Ganz gleich, ob Schienenersatzverkehr oder unpassende Pässe – ihrer Virtuosität gelingt der Zauber, jegliches in Klangräumen zu verbinden.
Wie Gedichte einen »Spielraum zwischen ich und wir« schaffen, zeigen die Texte der Lyrikerin und Performerin Lebogang Mashile. Gefeiert und geliebt weltweit und in ihrem Heimatland Südafrika wegen des hymnisch-kritischen Sogs ihrer Gedichte, besingt sie die »Töchter von morgen« und den Aufbruch des Denkens in Freiräume jenseits aller Kategorien, denn: »ich werde nicht in Kästen leben/ Sie sind nicht meine Heimat«.
Nicht nur verlegte Michael Krüger bei Hanser die wichtigsten Dichter:innen der letzten Jahrzehnte, nicht nur pflegte er freundschaftlichen Umgang mit den Großen der Weltpoesie, nein, seine eigenen Gedichte gehören auch seit Langem dazu. Krügers präzise Beobachtungen – aus den Kartoffeln des Großvaters wächst das Epos der eigenen Kindheit, Zwiegespräche mit dem Wald finden ein neues Alphabet – sind Stoff für hinreißende poetische Reflektionen, so wehmütig wie gewitzt, über, natürlich: alles.

Moderation: Jan Wagner
Die deutschen Übersetzungen liest Fabi ten Thije.

Die Veranstaltung findet auf Deutsch und Englisch statt.
Eintritt 15/8 EUR
Karten erhalten Sie über den Vorverkauf hier und an der Abendkasse.

»Imaginäre Gärten«

Literarische Werkstatt mit Jan Wagner
Mittwoch, 22.1.2025, 10.00 Uhr

Universität zu Köln, Erich Auerbach Institute for Advanced Studies, Bibliothek

Gedichte, schrieb die Lyrikerin Marianne Moore, seien imaginierte Gärten mit echten Fröschen darin. Wie schreibt man Gedichte, die das Wirkliche einladen, Gastraum sind für den Moment einer imaginierten Gemeinschaft? Die dann vielleicht Wirklichkeit wird?
Im Rahmen der Poetica 10 wird den Studierenden der Universität zu Köln und der Kunsthochschule für Medien die Möglichkeit eröffnet, eigene Texte in einer literarischen Werkstatt vorzustellen. Die Zahl der Teilnehmenden wird auf zwölf begrenzt, um einen intensiven Austausch zu ermöglichen. Teilnehmen können nur eingeschriebene Studierende der Universität zu Köln und der Kunsthochschule für Medien.
 

Interessent:innen werden gebeten, eine Textprobe – ein bis zwei Gedichte, aber nicht mehr als zwei Seiten – einzusenden an Lisa Skamira ().
Bewerbungsfrist ist der 19. Dezember 2024.
In Kooperation mit der Kunsthochschule für Medien Köln und dem Erich Auerbach Insitute for Advanced Studies.

Die Veranstaltung ist nicht öffentlich.

»Why do we come places where no one understands us?«

Lesungen und Gespräche mit Lina Atfah, Hiromi Itō und Sjón
Mittwoch, 22.1.2025, 19.00 Uhr

Japanisches Kulturinstitut

In ihrem hier erstmals aus dem Japanischen ins Deutsche übersetzten Zyklus Unkraut am Ufer dehnt Hiromi Itō den Raum der Poesie weit wie die Steppen der Prärie: Kinder emigrieren mit der Mutter an den Rand irgendeiner fremdsprachigen Landschaft, dauernd in Transit, unverständlich – sich selbst und anderen. Was bleibt, sind Gesten, jedes Kind ein Gast im eigenen Leben – »a growing, laughing, living body«.
Von Transit und existentieller Ortlosigkeit erzählen auch die Gedichte der in Syrien geborenen, seit 2014 in Deutschland lebenden Dichterin Lina Atfah. Trauernd und wütend ob der Gewalt, die ihre alte Heimat verwüstet, zärtlich und tastend in der neuen Heimat, die sich ihr zuerst in der Roboterstimme eines deutschen »Navis« nähert: »Sie haben Ihr Ziel erreicht«. Sprache ist hier ein Obdach, in dem Gedächtnis und Ankunft fortwährend im Dialog stehen: »Wo soll ich hin mit meinen Gedichten? – Hebe ein Grab aus im Kissen und schlaf, so werden die Träume wahr«.
Von Ankünften im Traum oder im »Trancemuseum« des Lebens berichten die Gedichte von Sjón. Schwebend und bewohnbar kommen seine Texte daher, wie kleine Parabeln darüber, dass die Vorstellungskraft jedes einzelnen Menschen schon eine Unterkunft sein kann, wenn man die Perspektive verschiebt. »Um das besser sehen zu können, schloss ich das linke Auge.«

Moderation: Yoko Tawada
Die deutschen Übersetzungen lesen Kelvin Kilonzo und Katharina Schmalenberg.
In Kooperation mit dem Japanischen Kulturinstitut.

Eintritt 12/8 EUR
Die Veranstaltung findet auf Deutsch und Englisch statt.
Karten erhalten Sie über den Vorverkauf hier und an der Abendkasse.

»Living-Room für bedingungslose Freundlichkeit«

Öffentliche Diskussion mit den Autor:innen der Poetica
Donnerstag, 23.1.2025, 14.00 Uhr

Universität zu Köln, Neuer Senatssaal

Gastfreundschaft kommt dem Anderen, der Anderen zugute, und das nicht, obwohl sie die Andere (oder der Andere) ist, sondern gerade deswegen. Aber was erlaubt es uns überhaupt, Gastgeber:in zu werden? Das »living room project« der Künstlerin Sandi Hilal geht dieser Frage nach. In Unterkünften für Geflüchtete schafft sie öffentliche Wohnzimmer, die den im Transit lebenden Menschen die Möglichkeit geben, selbst Gäste zu empfangen: anderen die Tür zu öffnen, sie zu Essen und Gespräch einzuladen – selbst Gastgeber:in zu sein. So verkehren sich die Rollen. Gleichzeitig lenkt das Projekt damit den Blick auf das Wesentliche. Was ist unverzichtbar, um Gastgeber:in zu sein? Ein Ort, über den man verfügt? Könnte der Ort auch ein Gedicht sein? Oder sind es doch die Praktiken der Gastfreundschaft, auf die sich überall zurückgreifen lässt – das kalte Getränk, das beste Kissen, das man anbietet; die Sprache anzuhören, die man nicht spricht. Mit welchen Gegenständen, Texten oder Praktiken gelingt es, auch an fremden Orten zu Gastgeber:innen zu werden? Diese Fragen werden die Autor:innen anhand von mitgebrachten Texten oder Dingen erkunden.

Moderation: Monika Rinck

Die Veranstaltung findet auf Englisch statt.
Der Eintritt ist frei.

»Mind Uploading – Engpassbeseitigung«

Lesungen und Gespräche mit Fiston Mwanza Mujila, Sergio Raimondi und Monika Rinck
Donnerstag, 23.1.2025, 19.00 Uhr

FORUM Volkshochschule im Museum am Neumarkt

Drei Dichter:innen zeigen an diesem Abend, wie furios und unterhaltsam poetisches Denken auf die Welt reagiert, indem es Fachsprachen anzapft und Wissensdiskurse auf Kollision bringt. So erweitert Sergio Raimondi den lyrischen Wortschatz, indem er die Auswirkungen der globalen Arbeitswelt auf Sprache und Umwelt untersucht und den Nachtfalter »Totenkopfschwärmer« mit Kohlekraftwerken verschränkt.
Koloniale Spuren und »Minengesang« dagegen verknüpft Fiston Mwanza Mujila in seinen klanglich schillernden Gedichten zu einer Psychogeografie der Republik Kongo. Wie viele »Knirpse« braucht es, die Minen im Bauch der Erde zu sättigen? Wie viele Ahnen sprechen durch die Minerale oder die »Bauchnamen« eines Gedichts im Zeitalter des Extraktivismus?
Ein Jenseitsreisender auf deutschen Autobahnen, »Engpassbeseitigungen« und Enten, die einen Staat gründen – all das findet sich in den Gedichten von Monika Rinck. Seit jeher zelebrieren sie die pyrotechnischen Erkenntnispotentiale, die das Einfädeln von Sachtexten, Theorie und erhaben-dunkler Albernheit freisetzt: »Spürst du den Sog der Arbeit, die du gar nicht gemacht hast? / Haha! Hier ist sie noch. Wogegen hast du sie getauscht?« Der Aufprall verschiedener Modi des Denkens erheitert und führt – ganz gewiss! – zu neuen Abfahrten im Geist.

Moderation: Uljana Wolf
Die deutschen Übersetzungen liest Benjamin Höppner.
In Kooperation mit der Volkshochschule Köln.

Eintritt 12/8 EUR
Die Veranstaltung findet auf Deutsch statt.
Karten erhalten Sie über den Vorverkauf hier und an der Abendkasse.

 

»Making Room – Raum lassen«

Lesungen und Gespräche mit Radna Fabias, Claudia Rankine und Sasha Marianna Salzmann
Freitag, 24.1.2025, 19.00 Uhr

Filmforum im Museum Ludwig

»Und wo wäre der sicherste Ort, wenn der Ort ein anderer sein muss als der Körper?«, fragt Claudia Rankine in ihrem Langgedicht Citizen, welches die Auswirkungen von Rassismus auf Seele, Körper und gesellschaftliche Texturen in den USA erforscht. Vielleicht ist dieser Ort das Gedicht. Und vielleicht verändert es sich unter dem Druck der Verhältnisse, die es zu ändern gilt – verwandelt sich, wie bei Rankine, zu Texträumen an der Grenze zu Essay, kritischer Intervention und autotheory.
Von Körpern und dem Widerstand gegen die Verengung gesellschaftlicher Räume durch Fremdenhass handeln auch die Gedichte von Radna Fabias aus den Niederlanden. Zwischen Ungehörigkeit und zugeschriebener Unzugehörigkeit schaffen sie Wirklichkeiten, in denen absolut alle Platz haben. Da wird ein ganzer Wohnblock geschultert mit »436 türken«, »nachtportiers«, »reinigungskräften« und »schlaflosen sozialhilfeempfängern« – einfach »weil sie auf meinen rücken passten«.
»Poesie, wenn sie gelingt, flicht uns zusammen.« Was Sasha Marianna Salzmann anlässlich des Friedenspreises für den ukrainischen Lyriker Serhij Zhadan formulierte, gilt auch für das eigene Werk. Durch eindringlichste poetische Zugewandtheit vermögen Salzmanns Stücke und Romane die Verflochtenheit unserer Schicksale zu beschwören. Zugleich finden sie jenen rettenden Raum in der Sprache, der unverfügbar bleiben muss, das poetische Reservoir für unseren Möglichkeitssinn, unsere Hoffnungen.

Moderation: Uljana Wolf
Die deutschen Übersetzungen liest Maddy Forst.
In Kooperation mit der Kunsthochschule für Medien Köln und dem Literaturhaus Köln.

Die Veranstaltung findet auf Deutsch und Englisch statt.
Eintritt 12/8/6 EUR
Karten erhalten Sie über den Vorverkauf des Literaturhaus Köln und an der Abendkasse.

»Welcome to the Bounce House«

Poetry meets Scenery
Samstag, 25.1.2025, 20.00 Uhr

Schauspiel Köln, Depot 2

In ihren Guessays – abgeleitet vom englischen »to guess« – vergleicht Uljana Wolf die Tätigkeit des Übersetzens mit dem Springen auf einer Hüpfburg: »Mit jedem Sprung veränderte sich der Raum, mit jedem neuen Aufprall veränderte sich das Raumempfinden des Springers. Die Landschaft knuffte unvorhersehbar zurück. Das Bounce House war im Grunde ein Gedicht.« Mit der Fähigkeit, durch seine flüchtigen Architekturen die Welt anders wahrzunehmen, andere Erfahrungen zu machen, teilt auch das Theater in seinen besten Momenten einige Qualitäten der Hüpfburg. Am letzten Abend der Poetica-Woche nehmen die internationalen Dichter:innen darum noch einmal Anlauf und lassen zusammen mit Ensemblemitgliedern des Schauspiel Köln ihre Texte die Landschaften verändern, in denen wir leben; erproben das Fallenlassen ebenso wie neue Bewegungen und loten gemeinsam die Freiräume der Poesie aus.

Mit den Autor:innen Lina Atfah (Syrien/Deutschland), Radna Fabias (Curaçao/Niederlande), Hiromi Itō (Japan), Lebogang Mashile (Südafrika), Fiston Mwanza Mujila (Kongo/Österreich), Sergio Raimondi (Argentinien), Claudia Rankine (USA), Sasha Marianna Salzmann (Deutschland), Sjón (Island), Jan Wagner (Deutschland) und Uljana Wolf (Deutschland) sowie den Schauspieler:innen Lou Friedmann, Benjamin Höppner, Yvon Jansen und Fabi Ten Thije
Regie: Antonia Ortmanns; Bühne: Lilli Riesenbeck; Kostüme: Melina Jusczyk; Musik: Pablo Giw; Dramaturgie: Johanna Rummeny
In Kooperation mit dem Schauspiel Köln.

Eintritt 16/8 EUR
Karten erhalten Sie auf der Website des Schauspiel Köln und an der Abendkasse.