Festival für Weltliteratur
2.–7.5.2022 – Köln

Uljana Wolf (Kuratorin)

Uljana Wolf

Uljana Wolf (1979) ist eine deutsche Lyrikerin und Übersetzerin. Sie studierte Germanistik, Anglistik und Kulturwissenschaften in Berlin und Krakau. Ihr Erstlingswerk kochanie ich habe brot gekauft (2005) wurde 2006 mit dem Peter-Huchel-Preis ausgezeichnet. Seitdem sind u.a. falsche freunde (2009), Box Office (2009) und meine schönste lengevitch (2013) erschienen; ihre Gedichte sind in über 15 Sprachen übersetzt worden. Impulsgeber ihrer Texte sind häufig Sprachmischungen. Durch dieses Spiel mit und an der Sprache verschieben sich Wörter und eröffnen sich Blicke auf die Themen von Sprachpolitik und Migration, die im Zusammenhang mit Identitätszuschreibungen stehen. Neben ihrer eigenen schriftstellerischen Tätigkeit übersetzt sie, vorwiegend aus dem Englischen und aus osteuropäischen Sprachen. Sie war Mitherausgeberin des Jahrbuchs für Lyrik (2009) und ist seit 2017 Mitglied in der Deutschen Akademie für Sprache und Dichtung. Zuletzt erschienen ihr Essay Wandernde Errands (2016) sowie Etymologischer Gossip. Essays und Reden (2021). Für diesen Band erhielt sie im März 2022 den Preis der Leipziger Buchmesse.

Foto: © Alberto Novelli

Swetlana Alexijewitsch

Swetlana Alexijewitsch

Swetlana Alexandrowna Alexijewitsch (1948) ist eine weißrussische Schriftstellerin. Geboren in der Sowjetrepublik Ukraine und aufgewachsen in der Sowjetrepublik Weißrussland der 50er Jahre, gilt sie heute als eine der bedeutendsten und prägendsten Vertreter:innen der dokumentarischen Literatur. Bis 1972 studierte Alexijewitsch Journalistik an der Lenin-Universität in Minsk. Zehn Jahr später erschien ihr erster dokumentarischer »Roman in Stimmen«, das Buch Der Krieg hat kein weibliches Gesicht (1987) für das sie über Jahre um die 500 Tonbandprotokolle sammelte und archivierte. Ihre Gegenüber sind dabei die wenig gehörten Bevölkerungsgruppen der Vor- und Nachkriegsgenerationen der Sowjetrepublik: Soldat:innen, die im Krieg kämpften und unter ihm litten, Krankenschwestern und Mütter. Ihre Dokumentarromane Zinkjungen. Afghanistan und die Folgen (1992), Tschernobyl (2006) und Seconhand-Zeit (2013) legen den Finger auf die Wunden einer Epoche. Sie handeln vom Afghanistankrieg, oft bezeichnet als das »sowjetische Vietnam«, der nuklearen Katastrophe in Tschernobyl und dem Zusammenbruch der Sowjetunion.
2015 erhielt Swetlana Alexijewitsch für ihre Werke den Nobelpreis für Literatur. Ihm vorangegangen waren bereits zahlreiche Auszeichnungen wie der Herder-Preis (1999) oder der Friedenspreis des Deutschen Buchhandels (2013). Die Autorin schreibt in russischer Sprache und lebt seit 2020 in Berlin. Im Juli 2021 erhielt sie das Große Bundesverdienstkreuz. 

Foto: © Margarita Kabakova

Ain Bailey

Ain Bailey

Ain Bailey (1970) ist eine britische Klangkünstlerin und DJ, die in London lebt und aus unterschiedlichen Medien, Materialien und Klängen architektonische Akustiken komponiert. Ihre Arbeit ist geprägt von Kooperationen mit Performance-, Ton- und Bildkünstler:innen. In der Zusammenarbeit mit der Künstlerin Sonia Boyce entstand ihre erste Installation Oh Adelaide (2010). Seitdem hat Bailey Ausstellungen, Performances und Workshops mit großem Erfolg veranstaltet. Im Jahr 2019 erhielt sie mit dem Oram Award und dem Elephant Trust gleich zwei Auszeichnungen. Die zweite bekam sie für ihre Ausstellung And We’ll Always Be A Disco In The Glow Of Love in der Cubitt Gallery. Im Wintersemester 2017/18 war sie Gastprofessorin für Sound an der Kunsthochschule Kassel. Gegenwärtig führt Bailey Workshops mit LGBTQIA+ Geflüchteten und Asylbewerber:innen durch.

Foto: © Christian Nyampeta

Don Mee Choi

Don Mee Choi

Don Mee Choi (1962) ist eine koreanisch-amerikanische Lyrikerin und Übersetzerin. Aufgrund der Militärdiktatur von Park Chung-hee verließ sie schon früh das Land und kam über mehrere Stationen in die USA. Die politischen Themen des gespaltenen Koreas, der traumatischen Verästelungen der Korea- und Vietnamkriege und der Kolonialpolitik Amerikas sind Hauptaspekte ihres literarischen Schaffens, welches sich verschiedenster Genres und Formen bedient. Auf ihren Debütband The Morning News is Exciting (2010) folgten die beiden Schriften Petite Manifesto (2014) und Freely Frayed (2014). In ihrem Text Hardly war (2016) werden sowohl die Auswirkungen des Krieges, als auch ihre eigene Kindheit in Südkorea in Auseinandersetzung mit den Fotografien ihres als Kriegsfotografen tätigen Vaters beschrieben und reflektiert. Zusätzlich zu ihrer eigenen Lyrik ist Don Mee Choi als Übersetzerin moderner koreanischer Dichter:innen, besonders von Kim Hyesoon, tätig. Hierfür erhielt sie u.a. den Lucien Stryk Asian Translation Prize (2012) und den Griffin Poetry Prize (2019). Don Mee Choi war im Jahr 2019 Stipendiatin des Berliner Künstlerprogramms des DAAD. Ihr neustes Werk trägt den Titel DMZ Colony (2020) und wurde im Erscheinungsjahr mit dem National Book Award for Poetry in den USA ausgezeichnet.

Foto: © SONG Got

Yan Jun

Yan Jun

Yan Jun (1973) ist ein chinesischer Lyriker und Musiker, der in Peking lebt. Nach einem Abschluss im Department of Chinese Language and Literature der Northwest Normal University widmete er sich hauptsächlich der musikalischen Underground-Szene des Landes und arbeitete als Musikkritiker. Im Jahre 2000 gründete er seine eigene Plattenfirma Sub Jam, die sich auf Veröffentlichungen chinesischer Alternativmusik spezialisiert hat. Seit 2004 ist er selbst als Musiker tätig. In seinen weltweiten Auftritten, in denen er oft live improvisiert, verwischt er die Grenzen künstlerischer Genres. Es ergibt sich ein spezieller Zusammenhang von Lyrik, elektronischer Musik und weiterem Klangmaterial, welches aus Field Recordings und Geräuschen besteht. Yan Jun arbeitet gleichsam als Kurator, Veranstalter und Herausgeber von Künstlerbüchern und Buch-CD-Kompilationen. Seine eigenen Gedichte liegen in der von Lea Schneider herausgegebenen Anthologie Chinabox. Neue Lyrik aus der Volksrepublik (2016) vor, welche als Lyrikempfehlung des Jahres 2017 durch die Deutsche Akademie für Sprache und Dichtung ausgezeichnet wurde. Darüber hinaus ist 2016 Yan Juns Gedichtband Internationaler Tag der Reparatur, ebenfalls in der Übersetzung von Lea Schneider, auf Deutsch erschienen.

Foto: © privat

Mihret Kebede

Mihret Kebede

Mihret Kebede ist eine äthiopische Künstlerin und Dichterin, die 2007 an der Alle School of Fine Arts and Design der Addis Ababa University im Fach Malerei mit Auszeichnung abschloss und 2016 ihren Master in Kunst an derselben Schule erwarb. Neben ihrer künstlerischen Tätigkeit organisiert sie lokale und internationale Kunstveranstaltungen und Festivals, u. a. ist sie Mitorganisatorin und Gründungsmitglied des Addis Video Art Festivals. Sie organisierte zudem kollaborative Poesie- und Jazzprojekte und Performances im In- und Ausland, darunter Workshops und Seminare mit dem Studio Olafur Eliasson, gefolgt von einer Solo-Show im Studio im Jahr 2012. Derzeit ist sie Doktorandin im Practice programme der Akademie der bildenden Künste Wien, wo sie unter dem Projekttitel Conversing with Silence arbeitet. Ihre Gedichte, die sie auf Amharisch verfasst, sind in mehreren Anthologien erschienen, darunter Poetry Jazz: Wax and Gold (2020), herausgegeben vom Institut für Raumexperimente e.V. Berlin in Kollaboration mit Tobiya Poetic Jazz. Darin sind Gedichte, Sprach- und Soundexperimente versammelt rund um die in Addis Abeba populäre Kunstform des Poetry Jazz, die Poesie und Live-Musik miteinander verbindet.

Foto: © privat

Fiston Mwanza Mujila

Fiston Mwanza Mujila

Fiston Mwanza Mujila (1981) ist ein kongolesischer Schriftsteller, der neben Romanen auch Lyrik und Theaterstücke schreibt. Er lebt in Graz und unterrichtete dort an der Universität mehrere Semester afrikanische Literatur. Die Schriftsprache von Fiston Mwanza Mujila ist das Französische. In seiner Dichtung sind lyrische Formelemente spürbar, gleichwohl versperrt sie sich einer bestimmten Genrezugehörigkeit, wie seine ersten Publikationen, Poèmes et rêvasseries (2009) und Craquelures (2011), bezeugen. Sein Debütroman Tram 83 (2014) wurde in mehrere Sprachen übersetzt und ist mit internationalen Preisen ausgezeichnet worden. Für die deutsche Übersetzung erhielt er zusammen mit den Übersetzerinnen Katharina Meyer und Lena Müller den Internationalen Literaturpreis – Haus der Kulturen der Welt (2017).  Das Buch Le fleuve dans le ventre = Der Fluss im Bauch (2013) ist in einer bilingualen Ausgabe mit der Übersetzung von Ludwig Hartinger erschienen. Im Jahr 2018 nahm Fiston Mwanza Mujila am SWR NEWJazz Meeting teil. Für das Deutsche Theater Berlin verfasste er Der Garten der Lüste als Auftragswerk, dessen Uraufführung im November 2021 stattfindet.

Foto: © Dirk Skiba

Carlos Soto-Román

Carlos Soto-Román

Carlos Soto-Román (1977) ist ein chilenischer Schriftsteller, Lyriker und Pharmazeut. Er hat einen Masterabschluss in Bioethik und veröffentlichte neben zahlreichen Übersetzungen in den letzten Jahren auch eine Vielzahl eigener Werke. In Chile publizierte er u.a. La Marcha de los Quiltros (1999), Cambio y Fuera (2009) und 11 (2017). 2018 erhielt er dafür den Santiago Municipal Poetry Prize. Seit 2011 publiziert er auch in den USA: Philadelphia’s Notebooks (2011), Chile Project: [Re-Classified] (2013), The Exit Strategy (2014), Alternative Set of Procedures (2014) und Bluff (2018). Carlos Soto-Románs dokumentarische Poesie basiert auf der radikalen Neuordnung von Akten, Listen, Einträgen, Katalogen. Sein Augenmerk gilt Materialien, die Auslöschungen von Existenzen markieren und so auf perfide Weise Zeuge von Zensurprozessen, politischem Terror und Menschenrechtsverletzungen geworden sind. Im Echoraum seiner politischen Dichtung beginnt das manipulierte Material zu sprechen. Sein neustes Werk Common Sense ist im Jahr 2019 bei Make Now Press erschienen.

Foto: © Andrés Larraín Araneda

Maria Stepanova

Maria Stepanova

Maria Stepanova (1972) ist eine russische Lyrikerin und Publizistin. Sie studierte am Maxim-Gorki-Literaturinstitut in Moskau, an dem sie 1995 ihren Abschluss machte, bevor sie von 2007 bis 2012 die Internet-Zeitschrift Openspace.ru leitete. Seit 2012 ist sie Chefredakteurin von colta.ru, einem unabhängigen Portal mit Schwerpunkt Kultur und politisches Feuilleton. Von 1996 an veröffentlichte sie eigene schriftstellerische Arbeiten in Zeitschriften. Im Jahr 2001 erschienen dann drei Gedichtbände in russischer Sprache. Im Jahr 2014 wurde der Roman Памяти памяти (übersetzt ins Deutsche unter dem Titel Nach dem Gedächtnis) veröffentlicht, für den ihr 2018 der Bolschaja-Kniga-Preis verliehen wurde. Für diesen Roman, einer Mixtur von Erzählung, Bericht und Dokumentationen, der das Thema des Erinnerungsverbots und den Verlust des kollektiven Gedächtnisses in Russland reflektiert, wurde Stepanova kürzlich für den International Booker Prize nominiert. Nicht nur mit diesem Werk zeigt sich Maria Stepanova als engagierte Autorin, die sich mit der anhaltenden Gewalt in der Vergangenheit und Gegenwart ihres Landes auseinandersetzt. Von 2018 bis 2019 war sie Gastdozentin an der Humboldt-Universität zu Berlin im Rahmen der Siegfried-Unseld-Professur für Autor:innen aus Mittel- und Osteuropa. Ihr neustes auf Deutsch übersetztes Werk ist Der Körper kehrt wieder: Gedichte (2020).

Foto: © Andrey Natotsinsky

Anja Utler

Anja Utler

Anja Utler (1973) ist eine deutsche Lyrikerin, Übersetzerin und Essayistin. Sie studierte Slawistik, Anglistik und Sprecherziehung, bevor sie im Jahr 2003 ihre Promotion über moderne russische Lyriker:innen an der Universität Regensburg abschloss. Ihre erste Veröffentlichung aufsagen erschien 1999. Es folgten der Gedichtband münden – entzüngeln (2004), für den sie mit dem Leonce-und-Lena-Preis ausgezeichnet wurde, sowie weitere Publikationen, u.a. brinnen (2006), jana, vermacht (2009) und ausgeübt. Eine Kurskorrektur (2011). Anja Utler übersetzte in den letzten Jahren auch Werke von Anne Carson: Decreation. Gedichte, Oper, Essays (2014) und Rot. Zwei Romane in Versen (2019). Neben zahlreichen Auszeichnungen, wie z.B. dem Basler Lyrikpreis (2014), dem Heimrad-Bäcker-Preis (2016) und dem Ernst-Meister-Preis für Lyrik (2021) war sie 2018 Thomas-Kling-Poetikdozentin an der Universität Bonn. In der edition korrespondenzen erschien zuletzt von ihr der Band kommen sehen. Lobgesang (2020).

Foto: © Tom Langdon

Cecilia Vicuña

Cecilia Vicuña

Cecilia Vicuña (1948) ist eine chilenische Lyrikerin und Künstlerin, die seit den 1980er Jahren auch in New York beheimatet ist. Sie studierte Fine Arts an der Universidad de Chile und von 1972 bis 1973 an der Slade School of Fine Art in London. Bekannt geworden ist sie nicht nur durch ihre Lyrik, sondern auch als Malerin, Bildhauerin sowie Installations- und Performancekünstlerin. Ihr Werk ist dabei immer rückgebunden an die Bereiche der Ethik, des Terrestrischen (besonders in einem ökologischen Sinne) und der Geschichte. Ihre Werke werden weltweit ausgestellt und sind u.a. in den Sammlungen der Tate London sowie in New York, im MoMA und im Solomon R. Guggenheim Museum zu sehen. Im Jahr 2017 war ihre Arbeit Teil der 14. Documenta in Athen und Kassel. Cecilia Vicuña hat seit 1973 25 Bücher veröffentlicht, wie z.B. The Precarious: The Art & Poetry of Cecilia Vicuña / QUIPOem (1997), El Templo (2001), Sabor A Mí (2007) und Spit Temple (2012). Die neuste Veröffentlichung Slow Down Fast, a Toda Raja (2019) ist ein Gespräch mit der Kuratorin Camila Marambio über Dekolonisation, ökologische Katastrophen und Erotik. Im April 2022 wird Cecilia Vicuña für ihr Lebenswerk mit dem Goldenen Löwen der 59. Biennale di Venezia ausgezeichnet.

Foto: © Daniela Aravena

Valzhyna Mort

Valzhyna Mort

Valzhyna Mort (1981) ist eine Lyrikerin und Übersetzerin, die in Belarus aufgewachsen ist, und seit 2005 in den USA lebt und arbeitet. Sie lehrt an der Cornell University und schreibt auf Englisch und Weißrussisch, außerdem übersetzt sie zwischen Englisch, Weißrussisch, Russisch, Ukrainisch und Polnisch. Ihre Gedichtbände liegen in Deutschland, Schweden und der Ukraine in Übersetzung vor. Nach Tränenfabrik (2009) und Kreuzwort (2013) erschien 2021 bei Suhrkamp ihr Gedichtband Musik für die Toten und Auferstandenen in der deutschen Übersetzung von Katharina Narbutovic und Uljana Wolf, der mit dem International Griffin Poetry Prize ausgezeichnet wurde. In ihrem Werk setzt sie sich bis heute mit ihrem Herkunftsland Belarus auseinander und legt die eigene Geschichte als Bild- und Klangreservoir ihres Schreibens zugrunde. Morts Arbeit wurde u. a. mit dem Bess Hokin Prize, dem Glenna Luschei Prairie Schooner Award und mit dem Hubert-Burda-Preis für junge osteuropäische Lyrik ausgezeichnet. Während der letzten zwei Tage der Festivalwoche wird Valzhyna Mort als Gast bei der Poetica auftreten.

Foto: © Tanya Kapitonova